Donnerstag, 11. Oktober 2007

Colgate Sensation White

Tatzeit 17:48, Tatort S12

Wie die S12 um diese Zeit aussieht, muss ich ja nicht zum wiederholten Male schildern. Gelassen bleiben, einsteigen, die Augen auf und siehe da, in einem Abteil sitzt ein Herr im mittelfeinen Anzug, seine Aktentasche neben sich und die Füsse so lange wie möglich auf die gegenüber liegende Seite ausgestreckt. Das ergibt dann also – wenn ihr euch das bildlich vorstellen könnt – nach Adam Riese noch EINEN freien Sitzplatz schräg gegenüber dem C&A-Beanzugten. Ungefragt setze ich mich auf eben diesen freien Platz, denn wer fragt schon einen Mitfahrer anständig ob noch frei ist, wenn dieser unanständig drei Plätze belegt, oder?

Jedenfalls möchte sonst niemand im Abteil Platz nehmen und dies bleibt auch so bis zum nächsten Halt. Noch mehr Leidensgenossen pferchen sich in den Zug und zwei junge Frauen knapp um die Zwanzig stehen neben „unserem“ Abteil und fragen höflich, ob im Abteil noch zwei Plätze frei sind. Widerwillig zieht der C&A-Mann seine Beine etwas an und so kann ich rüber rutschen. Alles bestens und die eine junge Dame schenkt uns ein Lächeln wie aus der Zahnpasta-Werbung und bedankt sich. So was Weisses, wie die Zähne dieser Frau habe ich noch nie gesehen und ich bin etwas irritiert. Kann denn das mit rechten Dingen zugehen?

Die beiden sich offenbar noch in der Ausbildung befindenden Girls nehmen ihr unterbrochenes Gespräch wieder auf. Es geht irgendwie um eine Praxis, eine Arztpraxis? Also Arztgehilfinnen-Azubis? Bei jeder lustigen Bemerkung ihres Gegenübers reisst die Colgate-Frau die Lippen weit auf und lacht unter Zurschaustellung ihrer perfekten Zähne herzlich heraus. Habt ihr schon mal Pferde gesehen, die als Drohgebärde die Zähne zeigen? Man fühlt sich vom Lächeln der jungen Frau zwar sicher nicht bedroht, ganz im Gegenteil in Nahverkehrszügen wird leider viel zu wenig gelächelt, aber irgendwie wirkt die Szene doch etwas unwirklich und unnatürlich. Sind wir es uns einfach nicht mehr gewohnt, dass jemand unter Einsatz des gesamten Gesichtes lächelt?

Das kommt mir jedenfalls etwas spanisch vor, obschon die Girls mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht von dort kommen. Das Gespräch dreht sich um irgendwelche Behandlungsmethoden und das Geheimnis um das perfekte Gebiss wird langsam klarer und die Gesprächsfetzen konkreter. „Häsch die neui, megatüri Behandligsmethode scho uusprobiert? „Nei, füfhundert Stutz für de Abdruck und für s’Mittel isch krass vill Chole!“ Scho, aber das hebet voll lang ane“.

Also wenn ich das alles richtig verstanden habe, geht es um eine neue Bleaching-Methode bei der erst ein Abdruck gemacht wird und dann wird ein Mittel in diesen Abdruck gegeben und der Abdruck über die Zähne gelegt. Wenn ich mir das nur schon vorstelle kriege ich einen Würgereiz; wie kann man sich das nur antun und das in diesem zarten Alter? Die Dame hat kaum die Milchzähne weg und fummelt schon mit Chemie an ihren zweiten Zähnen rum. Irgendwann werden die Silicon-Implantate wohl schon zur Taufe geschenkt.

Da mache ich es wie ein neuzeitlicher Philosoph und mache nicht die Probleme der Anderen zu den Meinen. Die Sensation-White-Frau auf jeden Fall ist glücklich, dass sie im Zug ihr perfektes Gebiss herzeigen darf und somit wäre auch heute wieder nicht der Beweis erbracht, dass pendeln – wie englische Forscher herausfanden – unglücklich macht.

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